Berlin (dpa/tmn) - In den schicksten Hotels übernachten, bei den großen Modeschauen in der ersten Reihe sitzen, in den hippsten Restaurants speisen - und das alles nur für ein paar Fotos auf Instagram oder Videos auf Youtube.
Das Leben von Influencern klingt glamourös. Sie erreichen über ihre Social-Media-Kanäle Zehn- oder Hunderttausende und haben daraus ein Business gemacht.
Doch langsam findet ein Umdenken statt in der Scheinwelt: Sogenannte Sinnfluencer drängen in die erste Reihe.
Immer öfter wollen Influencer nicht mehr nur als Werbebotschafter wahrgenommen werden, sondern auch für eine Idee, die dahintersteht. "Die Unterscheidung ist die Themenwelt, und dass sich Sinnfluencer sehr spezialisieren", erklärt Marlis Jahnke, Autorin des Buchs "Influencer Marketing". Bei Sinnfluencern stehen Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, Feminismus, Veganismus oder plastikfreies Leben im Mittelpunkt.
Sinnfluencer, also Influencer mit Sinn: Der Name ist Programm. "Ich will den Konsumwahnsinn stoppen und meinen Followern zeigen: Es gibt noch einen anderen Lebensstil, nachhaltig und erfüllt", sagt Laura Mitulla. Der 26-Jährigen folgen auf Instagram knapp 23.000 Menschen. Etwa halb so viele lesen regelmäßig ihren Blog "The Ognc".
"Erstmal sollte man das benutzen, was man schon besitzt", erklärt die Wahl-Berlinerin. Und wenn man doch mal etwas Neues braucht, sollte man versuchen es sich zu leihen, gegen etwas einzutauschen oder gebraucht Second Hand kaufen. "Und erst zuletzt kommt für mich das Neukaufen in Frage - und dann am besten fair und ökologisch produziert."
Vom Model zum Sinnfluencer
Auch Marie Nasemann setzt sich mit nachhaltig produzierter Mode auseinander. 2009 nahm sie an der Fernsehsendung "Germany's next Topmodel" teil. Mode zu verkaufen, gehörte zu ihrem Beruf als Model. "Als 2013 die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und über 1000 Menschen ums Leben kamen, war das für mich ein Wendepunkt", sagt sie heute. Heute folgen ihr auf Instagram knapp 150.000 Menschen. Seit etwa dreieinhalb Jahren schreibt sie zudem ihren Blog "Faiknallt".
Trotzdem gibt es sowohl auf Nasemanns als auch auf Mitullas Instagram-Kanälen und Blogs Werbung. Die Influencerinnen erhalten ein Produkt, testen und fotografieren es, veröffentlichen einen Beitrag - und sorgen im Idealfall dafür, dass ihre Follower die Produkte kaufen.
"Unternehmenskooperationen sind nicht per se etwas Schlechtes", sagt Mitulla. Sie möchte ihren Followern Hilfestellung geben und Produkte präsentieren, die tatsächlich nachhaltig sind, also beispielsweise ökologisch oder plastikfrei. Allerdings verzichtet sie darauf, Rabattcodes auszuweisen - zu unnötigem Konsum will sie ihre Follower schließlich nicht anregen.
"Einen professionellen Instagram-Kanal zu betreiben kostet eine Menge Zeit und Arbeit", sagt Naseman. "Dementsprechend ist es sinnvoll und in Ordnung über die Plattform auch Geld zu verdienen." Jahnke springt den Sinnfluencerinnen zur Seite. "Ich wünsche mir sogar von Sinnfluencern, dass sie mir zeigen, welche Marken wirklich nachhaltig sind, und wo mein Konsum am besten stattfindet."
Um als Sinnfluencer erfolgreich zu sein, müsse man besonders glaubwürdig und authentisch sein, meint Jahnke. "Ein Sinnfluencer muss das leben, was er abbildet." Nur so könne man eine große Reichweite erreichen. Aber Leidenschaft allein reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein. Man muss Professionalität und Ausdauer mitbringen - und das kann mitunter harte Arbeit sein. "Der Instagram-Kanal geht zum Beispiel mit in den Urlaub. Ihn regelmäßig zu bespielen, ist sehr, sehr wichtig", sagt Jahnke.
Literatur:
Marlis Jahnke: "Influencer Marketing. Für Unternehmen und Influencer: Strategien, Plattformen, Instrumente, rechtlicher Rahmen", Springer Gabler, 406 Seiten, 39,99 Euro, ISBN-13: 978-3-658-20854-7
© dpa-infocom, dpa:200821-99-256167/2
August 24, 2020 at 09:28AM
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Sinnfluencer erobern Instagram und Co. - Süddeutsche Zeitung
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